Maiglöckchen
Convallaria majalis L.
Seit langer Zeit ist das Maiglöckchen ein Glücks- und Liebessymbol. Aus christlicher Sicht ist diese Pflanze eine „Marienblume“ und damit ein Zeichen für die reine Liebe. Die weiße Farbe der Blüten signalisiert die Reinheit, das Grün der Blätter steht für die Hoffnung.
Die liebliche Form der glockigen und weißen Blüten und der zarte Duft dieser im Wonnemonat Mai blühenden Heil- und Giftpflanze machen das Maiglöckchen auch zu einer attraktiven Schmuckblume, die im Frühjahr in kleinen Sträußen gerne verschenkt wird. Die Schönheit dieser Pflanze in der Natur und im Blumenstrauß zu genießen ist durchaus angebracht und ungefährlich, wenn jedem dabei bewußt ist, daß das “Verkosten” dieser Giftpflanze doch zu unangenehmen Nebenwirkungen führen kann.
Anwendung in der Medizin
Die Verabreichung von getrockneten Pflanzenteilen als Drogenpulver gehört schon lange der Vergangenheit an. Heute werden entweder Extrakte aus der Pflanze, wie Tinkturen oder Fluid- bzw. Trockenextrakte, oder homöopathische Zubereitungen zur Behandlung verschiedener Herzerkrankungen verordnet und – vor allem bei leichten Formen von Herzmuskelschwäche, altersbedingten Herzbeschwerden oder zur Ausschwemmung von Wasseransammlungen bei Herzproblemen – eingesetzt.
Die Art der Wirkung ist vergleichbar mit der des Digitoxins aus dem roten Fingerhut und der des Strophanthins aus der Strophanthus-Pflanze, jedoch werden nur rund 10% der Wirkstoffe des Maiglöckchens im Körper aufgenommen; daher wird auch eine deutlich schwächere Wirkung erreicht.
Der Vorteil beim Maiglöckchen liegt darin, dass es zu einem raschen Wirkungseintritt kommt und eine hohe Abklingquote zu einer recht raschen Ausscheidung führt; damit kommt es zu keiner Kumulierung der Glykoside. Neben der Herzwirkung soll auch die wassertreibende Wirkung mit einer deutlich erhöhten Ausscheidung von Kalium und Natrium erwähnt werden.
Als unerwünschte Nebenwirkungen können Maiglöckchen und deren Zubereitungen Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Benommenheit, Herzrhythmusstörungen und Störungen des Farbsehens hervorrufen. Vorsicht ist geboten, wenn auch andere Medikamente genommen werden, die den Kaliumspiegel absenken, wie z.B. Abführmittel, weil es dadurch zu einer Verstärkung der Wirkung von Maiglöckchen-Extrakten kommen kann.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten wie mit Diuretika, Abführmitteln und anderen Herzmitteln sind zu beachten. In der Schwangerschaft und Stillzeit ist die Einnahme von Zubereitungen aus den Maiglöckchen kontraindiziert.
Giftwirkung
Akute Vergiftungen mit Pflanzen oder Pflanzenpulver kommen beim Menschen selten vor. Berichte, daß Blumenwasser von Maiglöckchenblüten getrunken wurde und zu Vergiftungen geführt habe, konnten nicht bestätigt werden.
Sollte es aber zu Vergiftungserscheinungen kommen, soll Erbrechen ausgelöst werden und sich der Patient auf jeden Fall zu einem Arzt oder zur Beobachtung in ein Spital begeben, weil unter Umständen doch Medikamente verabreicht werden müssen. Kinder sind sicher stärker gefährdet als Erwachsene.
Maiglöckchen und Bärlauch
All jene, die im Frühjahr in die Natur pilgern, um den Bärlauch für die Zubereitung köstlicher und gesunder Gerichte zu pflücken, sei geraten, dass sie sich mit dem Aussehen von Pflanzen, die der Natur entnommen werden, genau auseinander setzen. Die Verwechslung von Bärlauch mit Maiglöckchen kommt relativ selten vor, da der junge Bärlauch zu einer Zeit gepflückt wird, in der die Maiglöckchen noch gar nicht ausgetrieben haben. Wenn Maiglöckchen austreiben, blüht normalerweise der Bärlauch bereits. Zusätzlich sind bei einer Verwechslung die Folgen nicht so fatal, wie dies bei der Verwechslung mit den Blättern der Herbstzeitlose der Fall ist. Da die Wirkstoffe der Maiglöckchen nur in einem geringen Maß vom menschlichen Körper aufgenommen werden und die Vegetationszeit deutlich auseinander liegt, ist die Gefahr der Verwechslung zwar gegeben, wenn jemand relativ spät im Jahr Bärlauch pflückt – die Vergiftungsgefahr mit tödlichen Folgen ist aber selten. Wenn der Verdacht einer Verwechslung und Vergiftung vorliegt, ist unbedingt rasch ein Arzt aufzusuchen!
Zusammenfassung
Das Maiglöckchen hat erst ab dem 15. Jh. in den Kräuterbüchern Beachtung gefunden. Den Höhepunkt seiner medizinischen Anwendung hatte es im 18. und19. Jh. Es war ein oft eingesetztes Herzmittel, das auch entwässernde Wirkung hat; im Gegensatz zu den Glykosiden des Fingerhuts, kommt es bei den Extrakten aus dem Maiglöckchen nicht zur Kumulierung der herzwirksamen Glykoside. In den letzten Jahrzehnten wurde diese Gift- und Heilpflanze immer seltener verwendet.